Lerne Conisch kennen, den Komponisten von Pokémon: Zwielichtschwingen

19. November 2020

Lerne Conisch kennen, den Komponisten von Pokémon: Zwielichtschwingen

Erfahre im dritten Teil unserer Interviewreihe mit dem Kreativteam dieser Zeichentrickserie, wie ein melodischer Soundtrack entsteht.

In der dritten Runde unserer Interviews mit dem Kreativteam von Pokémon: Zwielichtschwingen gibt uns Conisch einen faszinierenden Einblick in den Entstehungsprozess der Musik für die Serie und die Ideen, die in die Partitur eingeflossen sind.


F: Sie haben die Musik für Pokémon: Zwielichtschwingen komponiert. Können Sie genau erklären, was das im Zusammenhang mit dem Produktionsprozess bedeutet?

A: Ich komponiere die Art von Musik, die üblicherweise als Soundtrack bekannt ist – die musikalische Begleitung für ein Schauspiel oder Theaterstück, die manchmal Hintergrundmusik genannt wird. Für Zeichentrickfilme erhalte ich die Illustrationen der Künstler und das Filmmaterial mit den Stimmen der Darsteller, und ich füge dann die Musik hinzu, während ich diese anschaue. Es gibt viele verschiedene Szenen, die Musik voraussetzen – manchmal muss die Musik beispielsweise auf die Gefühle einer Person abzielen und andere Male soll sie das Bild eines bestimmten Ortes hervorrufen. Aber für jede Szene ist die Musik, die ich komponiere, dafür vorgesehen, den Gesamteffekt oder das Konzept des Werkes hervorzubringen.

F: Führt dies jemals zu Situationen, wo Sie Musik basierend auf Ihrem Konzept des Werkes im Voraus komponiert haben, aber wenn Sie sie mit den Illustrationen paaren, merken Sie, dass es nicht ganz zusammenpasst?

A: Häufig, ja. Manchmal entsteht die Diskrepanz durch den Zeichentrick oder die Illustrationen, aber auch wenn ich die Stimmen der Schauspieler höre, kann sich mein Konzept des Werkes ändern. Ich wurde schon oft dazu inspiriert, etwas zu ändern, das ich bereits geschrieben hatte, nachdem ich die eigentliche Vertonung der Synchronsprecher hörte.

F: Meinem Verständnis nach können verschiedene Arten von Musik den Eindruck einer Szene oder das Gefühl eines Werkes komplett verändern – das gilt für alle Werke, nicht nur Zwielichtschwingen. Auf was legen Sie bei einer Komposition am meisten Wert?

A: Die kurze Antwort ist, dass ich Musik kreieren möchte, die das Werk eindeutig verkörpert. Da Zeichentrickfilme nicht gefilmt, sondern eher erstellt werden, gestaltet man in vielerlei Hinsicht bei einem Zeichentrickfilm etwas Reales aus einem Traum heraus. Aber damit dies gelingt, ist es meiner Meinung nach äußerst wichtig zu erwägen, wie jeder – das heißt die Künstler und die Zuschauer – in diese entstehende Welt eintauchen kann.

Für mich war Musik schon immer das Portal in diese Traumwelt. Ich habe schon als Kind Comics und Zeichentrickfilme geliebt – ich habe immer „so tun, als ob“ gespielt und mir vorgestellt, dass diese Welten echt sind. (Lacht.) Ich fühlte mich, als ob ich die Welt eines bestimmten Werkes nur durch das Hören der Musik betreten könnte, und diese prägende Erfahrung meines jüngeren Ich hat mich zu einem Komponisten werden lassen.

Deshalb ist das Erstellen von Musik, die ein Werk eindeutig verkörpert, das Thema meiner Soundtrack-Kompositionen und das, was ich am meisten schätze.

F: Wenn Sie beschreiben müssten, wie Sie sich den „Kern-Sound“ von Zwielichtschwingen vorstellen, wie würde er aussehen?

A: Das ist schwer in Worte zu fassen. Natürlich hat die Musik der Serie selbst ihre Melodien und Begleitungen ... und dann gibt es Geräusche, die einen bestimmten Effekt kreieren sollen, plus Perkussion – alle möglichen Sounds. Es gibt diese unterschiedlichen Elemente und die Art, wie man sie kombiniert, kann die Atmosphäre der Musik wirklich verändern.

Die Melodien sind auch entscheidend, aber manchmal erzeugt nur ein einziger Sound in dem komplexen Gewebe, das man erstellt, die gesamte Atmosphäre, wissen Sie? (Lacht.)

F: Und manchmal hört man nur diesen bestimmten Sound oder eine gewisse Melodie und man merkt sofort: „Oh, das ist das Lied“, richtig?

A: Das ist das ideale Ergebnis. Ich hoffe immer, dass ich so etwas komponieren werde.

F: Kannten Sie Pokémon vor diesem Projekt? Hatten Sie ein Lieblings-Pokémon oder jegliche Erinnerungen oder Geschichten, die Ihnen haften geblieben sind?

A: Natürlich kannte ich Pokémon. Ein Produzent, den ich nach der High School getroffen hatte, gab mir ein Projekt, quasi mein Anfang als professioneller Komponist, bei dem ich neue Versionen von „Smile“ von Toshiko Ezaki – ein Abspannlied für die Zeichentrickserie Pokémon Advanced [in Japan], die zu dieser Zeit lief – für eine CD-Veröffentlichung arrangieren sollte, wie beispielsweise für ein Streichquintett. Ich schätze mich auch glücklich, dass ich etwas Musik für Werbungen zu Pokémon-Lernspielzeugen komponieren durfte, und ich habe sogar bei manchen dieser Lieder gesungen.

Ich bin wirklich froh, dass diese Erfahrungen dazu führten, dass ich auf diese Weise in die Welt der Pokémon zurückkehren konnte. Ich hoffe, dass ich die Freundlichkeit, die ich empfangen habe, zurückgeben konnte.

F: Haben Sie jemals eins der Spiele gespielt oder die Fernsehserie bzw. die Filme selbst angesehen?

A: Ich habe die Filme und andere Werke angeschaut, auch wenn es teilweise aus beruflichen Gründen war. Und ich bat auch darum, mich zu ein paar der Orchesteraufnahmen für die Filme mitzunehmen, da diese in Bezug dazu standen, was mich zu einem professionellen Musiker werden ließ. Ich habe immer davon geträumt, den eigentlichen Aufnahmeprozess mit eigenen Augen zu sehen, und dadurch habe ich wirklich ein Gefühl dafür bekommen, wie das gesamte Projekt zusammengestellt wird. Und ich habe auch einen Einblick in die Atmosphäre der Welt, die sie kreierten, erhalten.

F: Die Lieder, die bei Zwielichtschwingen zu hören sind, klingen sehr natürlich und machen die Charaktere und Pokémon spannender bzw. lassen Dinge mehr hervorstechen. An was haben Sie gedacht, als Sie diese Lieder komponierten?

A: Vielen Dank für das Kompliment! Dies entspricht zum Teil dem, was ich vorher über meine Gedanken während des Komponierens gesagt hatte, aber die grundlegende Idee bestand darin, dass Pokémon eine fast 25-jährige Geschichte aufweist, und ich bin mein Werk mit dem Ziel angegangen, ein Geschenk für die Leute zu kreieren, die die Welt der Pokémon lieben. Ich habe versucht, die eigentliche Atmosphäre von Zwielichtschwingen mithilfe von Musik zu übermitteln.

Dies wird vielleicht etwas fachspezifisch, aber lassen Sie uns beispielsweise mal ansehen, wie Kate sich im Laufe der 4. Folge entwickelt. Ich habe eine musikalische Phrase komponiert, die als Motiv für Kate selbst dient. Dann habe ich Variationen dieses Themas erstellt, zum Beispiel eine kleine Änderung, nachdem sie auf dem Rücken von Milotic geritten ist. Das Ziel hierbei war es, Kates Fortschritt auch durch die Musik aufzuzeigen. Und ich habe von mehreren Leuten direktes, positives Feedback zu dieser Entscheidung erhalten, sogar aus anderen Ländern! Ich bin sehr froh darüber. Es fühlt sich so an, als ob ich erfolgreich war.

F: Diese ca. 6-minütigen Folgen enthalten viel Musik, aber die Abspannmelodie der Serie scheint einen besonders starken Eindruck auf die Zuschauer gehabt zu haben. Können Sie uns sagen, was Sie sich zu diesem Lied vorgestellt haben und was Sie für Gedanken hatten, als Sie dieses Thema komponierten?

A: Der Direktor, [Shingo] Yamashita, sagte mir, dass er findet, dass klassische Musik etwas Mathematisches in sich birgt und dass er Musik mit klassischer Untermalung mag und sie deshalb für passend hält. Daran habe ich immer gedacht. Ich habe das Gefühl, dass das, was er sagte, auch direkt von der Inspiration für seinen eigenen kreativen Prozess stammte. Also wenn die Musik, die ich komponiert habe, bei allen einen starken Eindruck hinterlassen hat, dann habe ich es vielleicht geschafft, die Art von Sound zu erstellen, die das Werk benötigte.

Der Direktor betonte auch ausdrücklich, dass die Abspannmelodie am Einprägsamsten sein sollte. Basierend darauf beschloss ich, das Abspannlied zu einer Art Nachricht an alle Menschen auf der Welt zu machen, die Pokémon lieben. Ich finde, es gibt Vieles, das wir Menschen von Pokémon lernen können. Ich habe gehofft, durch Musik die Schönheit dieser wundervollen Welt wiederzugeben, wo es keine Diskriminierung oder Trennung gibt und alles verbunden ist.

F: Gab es irgendwelche bestimmten Bestandteile der Komposition für Zwielichtschwingen, bei denen Sie besonders achtgeben mussten, mit denen Sie Schwierigkeiten hatten oder die einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben?

A: Die Suche nach einem Musikstil, der dieses Werk einzigartig verkörpert. Die Suche hat sich über alle Arten von Musikgenres erstreckt, und es ist manchmal zu Überschneidungen gekommen. Das war etwas, auf das ich besonders achtete und das mir damals auch schwerfiel. Letztendlich war aber jeder Teil davon so erfüllend, und ich habe es als einen unterhaltsamen – und sogar aufregenden – Prozess in Erinnerung.

Während des Komponierens der Musik habe ich auch jede Folge hunderte Male angeschaut, deshalb ist es sehr schwierig, einen spezifischen Moment zu wählen. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich sagen, dass die erste Folge einen sehr starken Eindruck bei mir hinterlassen hat, da sie mein Einstieg in Zwielichtschwingen war.

Ich weiß nicht, wie viel ich dazu sagen soll, aber ich persönlich denke, dass der Direktor, Herr Yamashita, etwas von sich selbst in Johns Charakter mit einfließen ließ. Und zu sehen, wie John seinen ersten Schritt in Richtung seines Traumes macht, ist sehr ergreifend. Ich denke, das war letztendlich ein hervorragender Anfang, sehr feinfühlig, mit einem Gefühl von Anspannung und Momenten des Trostes zugleich.

F: Gibt es unter all den Musikstücken, die Sie geschrieben haben, welche, auf die Sie besonders stolz sind? Und falls ja, weshalb?

A: Ich bin momentan immer noch dabei, die Musik für die letzte Folge zu komponieren, aber ich habe so ein Gefühl, dass die Musikstücke, die ich für diese letzte Folge schreibe, meine Lieblingsstücke sein werden. Es handelt sich aber nur um ein Gefühl und ich kann nicht wirklich einen Grund dafür nennen. (Lacht.) Es gibt Vieles, das noch Form annehmen muss, also ist es schwer zu sagen.

F: Aber jetzt, wo Sie an dieser letzten Folge arbeiten, haben Sie das Gefühl, dass deren Musik ihr Favorit sein wird?

A: Ja, das ist richtig. Wenn ich jedoch einen Favoriten aus den bereits vollendeten Stücken wählen müsste, würde ich mich für das Musikstück aus der vierten Folge entscheiden, das ich bereits erwähnt hatte: das Lied, das gespielt wird, nachdem Kate auf dem Rücken von Milotic geritten ist. Diese Szene war relativ lang für diese Serie, aber ich glaube, es ist mir gelungen, ein Stück zu komponieren, welches das Gefühl von Kates Fortschritt erfasst.

F: Können Sie uns nun etwas über etwaige Höhepunkte erzählen, auf die Sie sich bei der letzten Folge freuen – inklusive musikalischer Highlights?

A: Das wäre, ob John letztendlich eins von Delions Matches sehen wird oder nicht! Ich finde, dass die Art und Weise, wie John seinen Traum verfolgt, sehr gut dargestellt wird.

Ich arbeite auch noch an ein paar Dingen – bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, dieses Interviews habe ich hoffentlich eine Melodie komponiert, die Johns Traum extra Aufschwung verleiht, und ich hoffe, dass Sie darauf achten werden.

F: Eine letzte Frage: Gibt es irgendetwas, das Sie den Fans von Zwielichtschwingen und von Pokémon allgemein mitteilen möchten?

A: Ich habe beim Komponieren Nachrichten von vielen Leuten erhalten, was wahrscheinlich teilweise an der monatlichen Veröffentlichung neuer Folgen lag.

Diese Nachrichten haben mir in der jetzigen Zeit, die für alle nicht einfach ist, sehr viel Kraft gegeben.

Als jemand, der in der Unterhaltungsindustrie arbeitet, bin ich in einer Position, wo ich es oft bin, der anderen [durch meine Arbeit] Mut zuspricht, aber dieses Mal habe ich diese Gefühle selbst empfangen. Das hat mich sehr glücklich gemacht.

Es bedeutet mir viel, dass ich an Filmmusik arbeiten und mich gleichzeitig bewusst darauf konzentrieren konnte, diese Musik den Zuhörern, die mich ermutigten, als „Dankeschön“ zu schenken. Ich hoffe, dass meine aufrichtige Dankbarkeit zum Ausdruck kommt – vielen Dank!

Außerdem habe ich dank der Interaktionen, die ich mit Fans auf Twitter hatte, ein echtes Gefühl dafür erhalten, wie unersetzlich die Welt von Zwielichtschwingen und Pokémon für viele Leute ist.

Ich denke, dass es zeigt, wie unglaublich wichtig es für uns ist, einen Ort zu haben, wo wir uns auf unserem Lebensweg zu Hause fühlen.

Das hat mich zu dem Gedanken veranlasst, dass vielleicht eine gemeinsame Liebe für Pokémon dabei helfen könnte, Konflikte zwischen Menschen zu reduzieren.

Deshalb hoffe ich, dass alle da draußen weiterhin Pokémon an ihrer Seite behalten werden.

Die Ankunft der letzten Folge wird mich einsam machen, aber falls jemals wieder ein Anruf kommen sollte, werde ich jederzeit zurückkommen. (Lacht.) Auf ein baldiges Wiedersehen!


Über Conisch
Conisch, geboren am 19. April 1981, ist Komponist und Pianist. Er hat einen allgemeinen Abschluss von der Waseda Jitsugyou High School in Tokio und beendete Teil eines Kompositionsprogramms an der Toho Gakuen School of Music. Danach studierte er Komposition unter den Musikern Masakazu Natsuda, Naoko Hishinuma und Hiroshi Yamaguchi. Er ist Berater und Mitglied der „Japanese Society for the Rights of Authors“, der „Composers and Publishers (JASRAC)“ und der „Japan Composers & Arrangers Association (JCAA)“ sowie Präsident und stellvertretender Direktor von Soranone, Inc. Er steht in Verbindung mit der musikalischen Gruppe AYACONI.


Denke daran, dass du dir alle sieben Folgen von Pokémon: Zwielichtschwingen sowie die neue besondere Folge Pokémon: Zwielichtschwingen – Die Zusammenkunft der Stars auf Pokémon-TV ansehen kannst – hier auf Pokemon.de oder der Pokémon-TV-App – oder auf dem offiziellen Pokémon-YouTube-Kanal.

Lies unbedingt alle unsere Interviews mit dem Kreativteam von Pokémon: Zwielichtschwingen!


Interview zu Pokémon:
Zwielicht­schwingen
(Teil 1): Mizutamari Higashi, Illustrator

Interview zu Pokémon:
Zwielicht­schwingen
(Teil 2): Sou Kinoshita, Drehbuchautor

Interview zu Pokémon:
Zwielicht­schwingen
(Teil 4): Shingo Yamashita, Regisseur, und Yo Watanabe, Regieassistent

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